Zukunftsfragen

Ende September war die Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Mit dabei: die Lebenshilfe Trier und das Projekt Selbstvertretung.

Am letzten Septemberwochenende pilgerten rund 350 Abgesandte örtlicher Lebenshilfen aus ganz Deutschland nach Marburg. Dort fand die Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung Lebenshilfe statt. Mit dabei waren auch mehr als 50 sogenannte Selbstvertreter*innen mit geistiger Beeinträchtigung. Zwei davon gehören zum Projekt Selbstvertretung der Lebenshilfe Trier. Zusammen mit Projektleiterin Rebekka Auer, dem Vorstand des Lebenshilfe Trier e. V., Heiko Reppich, und Jutta Scheiderbauer, Mitglied im Aufsichtsrat der Lebenshilfe Trier reisten Michael Scheiwen und Heike Josten in die hessische Universitätsstadt. 


Zwei Tage lang ging es dort um wichtige Zukunftsfragen: Wie können Selbstvertreter*innen in der Lebenshilfe, in Politik und Gesellschaft mehr integriert werden? Wie kann das Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Beeinträchtigung verbessert werden? Was kann die Lebenshilfe tun, damit auch Menschen mit schwerer und schwerster Behinderung umfassende Unterstützung erhalten? Und was kann die Lebenshilfe tun, um die notwendigen Fachkräfte für ihre Arbeit zu finden? Thematisch war das Wochenende also vollgepackt: weitreichende Inklusion, Teilhabe am Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel. 


Darüber hinaus war die Versammlung ein perfektes Forum für den Austausch: „An zwei Tagen konnten wir mitreden und alles Wichtige erfahren, was in Deutschland bei allen Lebenshilfen passiert. Es gab viele bewegender Momente und es standen starke Menschen mit wie auch ohne Beeinträchtigung auf dieser Bühne, die tolle Arbeit für die Lebenshilfe machen“, sagt Rebekka Auer. 


Gleich der Einstieg in die Versammlung war emotional: „Wir haben schon 2017 den Beschluss gefasst, dass AfD und Lebenshilfe nicht vereinbar sind. Wir stehen für demokratische Werte, für die Achtung der Menschen- und Grundrechte und setzen uns für Teilhabe statt Ausgrenzung ein“, sagte die Bundesvorsitzende Ulla Schmidt in ihrer bewegenden Eröffnungsrede. Der Beifall war groß. 


Selbstvertreterin Heike Josten berührte die Rede sehr. „Genau die Themen, die mir am Herzen liegen.“ Denn neben der klaren Stellungnahme zur rechtsextremen Partei AfD sprach die ehemalige Gesundheitsministerin über Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung am Arbeitsleben und gerechte Entlohnung. Es müsse ein Grundeinkommen unabhängig von der Grundsicherung geben, damit Menschen mit Beeinträchtigung nicht mehr in die Rolle der Bittsteller gezwungen werden. Zudem sollten Werkstätten für behinderte Menschen bei der Integration von Menschen mit Beeinträchtigung in den ersten Arbeitsmarkt gewissenhafter sein. Genau diese Themen griff Heike Josten etwas später auf. Sie meldete sich während der Sitzung zu Wort, ging ans Mikrofon und vertrat ihre kritische Haltung zu den Arbeitsbedingungen in Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigung. Auch trug sie ihre Forderungen für eine bessere Inklusion an Schulen, auf der Arbeit und im alltäglichen Leben vor.
Des Weiteren legte Ulla Schmidt in ihrer Rede ein Augenmerk auf Menschen mit schweren und schwersten Behinderungen. Für diese sollen Strategien entwickelt werden, um ihre besonderen Bedarfe umfassend zu berücksichtigen, denn Inklusion sei nur dann komplett, wenn auch diese Personengruppe teilhaben könnten.


Anschließend stellte sie die Kampagne #LebenshilfeMomente vor. Damit möchte die Lebenshilfe gegen den herrschenden Fachkräftemangel vorgehen. Das umfangreiche Werbematerial für die Personalgewinnung wurde hier erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Ulla Schmidt ist davon überzeugt, dass die Kampagne erfolgreich sein wird: „Weil wir alle wissen, dass es in der Begleitung von Menschen mit Behinderung genau diese besonderen Momente gibt. Momente, die bereichern und berühren. Momente, in denen wir spüren, dass es genau das richtige ist, sich für mehr Teilhabe einzusetzen.“


Für Selbstvertreter Michael Scheiwen war das wichtigste Thema der Mitgliederversammlung die Vorstellung des Master-Plans zur Stärkung der Selbstvertretung. „Er ist eine Anleitung in Leichter Sprache, die allen Lebenshilfen helfen soll, zu wissen, was man noch für Selbstvertretung machen muss. Damit wir noch besser mitwirken und mitbestimmen können,“ erklärt Scheiwen. 


Sechs Arbeitsgruppen bestehend aus erfahrenen Selbstvertreter*innen aus ganz Deutschland hatten auf Initiative des bundesweiten Rats behinderter Menschen den Entwurf erstellt. Der Master-Pan in Leichter Sprache sowie die Erklärung zur Handhabe des Master-Plans, die Anleitung zum Mit-Machen und das Wörterbuch zum Master-Plan stellen die Arbeitsgrundlage für alle Lebenshilfen auf dem Weg zur mehr Selbst-Vertretung in den kommenden Jahren dar. Die drei wichtigsten Forderungen: In jedem Vorstand sollen auch Selbstvertreter*innen sein, jedes Selbstvertretungsbüro soll technisch gut ausgestattet sein und in Zukunft soll es keine Gespräche mit der Politik mehr ohne Selbstvertreter*innen geben. Er wurde von der Mitgliederversammlung mit große Mehrheit angenommen. „Unsere Arbeit hat sich gelohnt. Wir wollen in der Lebenshilfe und in der Politik mehr gehört werden, mehr mitreden und mitentscheiden. Dafür bekommen wir jetzt zusätzliche Unterstützung,“ sagt Selbstvertreter Thomas Gilles von der Lebenshilfe Ahrweiler, der der die Projektgruppe zum Master-Plan leitete. 


Ein weiteres Highlight der Versammlung: die Verleihung des Medienpreises BOBBY. In diesem Jahr ging er an die TV- und SocialMedia-Stars André und Shari Dietz. Die beiden haben ihr Familienleben mit einem Kind mit schwerer geistiger und körperlicher Behinderung einem großen Publikum nahegebracht – mit ihrem viel gelesenen Blog, ihren Büchern, den zahlreichen Zeitungsartikeln und Fernsehauftritten. Mit ihrem Medienpreis BOBBY würdigt die Bundesvereinigung Lebenshilfe seit 1999 öffentliches Engagement für Menschen mit Behinderung und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.


„Wir sind froh, Teil dieser großartigen und wichtigen Veranstaltung gewesen zu sein und haben viele neue Kontakte und Visionen für die Zukunft mitgenommen. Michael und Heike konnten ganz viel Selbstvertretungs-Power tanken und werden den anderen Selbstvertreter*innen bei unserem nächsten Treffen was davon abgeben,“ bilanziert Rebekka Auer. 


Hier finden Sie den beschlossenen Master-Plan. 
Mehr Infos über die Mitgliederversammlung gibt es hier.
Mehr Infos über das Projekt Selbstvertretung der Lebenshilfe Trier finden Sie hier. 
 

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